Mercedes-Benz hat heute im kalifornischen Pebble Beach ein neues Showcar präsentiert. Im Rahmen der Monterey Car Week, die in der Woche vom 18. bis 26. August Liebhaber aus aller Welt anzieht, wurde der Einsitzer Vision EQ Silver Arrow zum ersten Mal gezeigt, der nicht nur äußerlich eine Hommage an den weltbekannten Rekordwagen W 125 von 1937 darstellt.
Ich weiß nicht wie es euch ergeht, aber als Kind, ich bin 71er Baujahr, war ich immer fasziniert von den stromlinienförmigen Rennwagen der 30er Jahre. Obwohl damals nahezu ein halbes Jahrhundert alt, schienen sie von einer Zeitlosigkeit geprägt, dass es für mich überhaupt keine Frage war, ob sie auch an einem Matchbox-Rennen auf unseren Fantasie-Strecken im Lieblings-Sandkasten teilnehmen konnten oder nicht. Die Kisten waren für mich immer gesetzt für das Starterfeld und so reihten sich dann Renn- und Rekordwagen aus den unterschiedlichsten Jahrzehnten auf.
Natürlich durften da die Silberpfeile nicht fehlen, wobei hier einer ganz klar in meiner Sammlung vermisst wurde: Der Mercedes-Benz W 125 Rekordwagen aus den späten 30ern. 12 Zylinder und 5577 cm³ ließen in Kombination mit zusätzlichen Vergasern die Leistung des Kompressormotors auf 736 PS bei 5800 Umdrehungen ansteigen. Ich wiederhole mich hier noch einmal langsam und in Ruhe: Siebenhundertsechsunddreissig Pferdestärken!

Mercedes-Benz 12-Zylinder-Rekordwagen W 125 von 1938
Wer schon einmal das Glück hatte diese Maschine live und Farbe zu sehen, aber vor allen Dingen zu hören, kann hier zumindest ansatzweise meine Begeisterung für dieses technische Wunderwerk nachvollziehen. Im Rahmen des Formel 1 Grand Prix 1995 in Hockenheim, durfte ich den Klängen der etwas zivilisierteren Version dieses Monsters lauschen.
Der Motor des damaligen W 125 Silberpfeils brachte zwar nur knapp 600 PS an die Hinterräder, produzierte dabei aber eine Soundkulisse, die bereits vernehmbar war, als er aus der damals noch vorhandenen Ostkurve des alten Grand-Prix Kurses herausbeschleunigte. Der Magen vibrierte, Gänsehaut überzog den Körper und als dieser Klassiker dann ins Motodrom einbog, da trieb es mir die Freudentränen in die Augen.
Mit der überarbeiteten Version dieses Motors, verbaut in einer Karosse, die wichtige Impulse aus den Entwicklungsabteilungen der Flugzeugwerke von Heinkel und Messerschmitt übernahm, gelang dem legendären Rudolf Caracciola ein Rekord für die Ewigkeit. Ok… fast!
Die damals auf der Autobahn 5, zwischen Frankfurt und Darmstadt erreichte Durchschnittsgeschwindigkeit von 432,7 km/h, galt bis November 2017 als Geschwindigkeitsweltrekord auf öffentlichen Straßen. Das muss man sich einmal überlegen… 80 Jahre lang hatte der Rekord von Caracciola Bestand. Irre!
„Mit historischen Silberpfeilen war Mercedes-Benz schon vor über 80 Jahren ein Geschwindigkeitspionier – unter anderem dank deren Stromlinienform“ – Gorden Wagener, Chief Design Officer der Daimler AG
W 125 als Inspiration für die Designer des EQ Silver Arrow
Nachdem wir uns nun emotional wieder gesammelt haben, lassen wir die Vergangenheit mal Vergangenheit sein und drehen das Rad der Geschichte 81 Jahre nach vorn. Kalifornien. Pebble Beach. Die Veranstaltung, die bereits in den letzten beiden Jahren so wunderschöne Konzepte wie den Vision Mercedes-Maybach 6 und das Vision Mercedes-Maybach 6 Cabriolet eine Bühne bot, erlebte nun die Premiere des Vision EQ Silver Arrow und verneigt sich damit vor den Designern der 1930ern.
Bevor ich umfangreich auf die Features und Spezifikation des Vision EQ Silver Arrow eingehe, erstmal etwas zu den Gemeinsamkeiten mit dem 37er W 125 Rekordwagen. Direkt ins Auge fällt mir da umgehend die runde, dem Grundriss und Türschnitt eines Tropfens nachempfundene Cockpitverglasung.
Aber auch das Interieur wagt den Spagat zwischen Tradition und Moderne. Was unsere Designer als „progressiven Luxus“ definieren, ist im Grunde eine Kombination aus der zeitlosen Ästhetik des Vorbilds und einer Vision für die Zukunft.
Sobald die Fahrerkanzel nach vorn geklappt wird, offenbart sie einen ungewöhnlich breiten Innenraum, der von seinen Kontrasten lebt. Sattelbraunes Leder an Sitz und Lenkrad passt perfekt zu dem gebürsteten Aluminium im Innenraum und dem massiven Walnussholz, welches mit dunkleren Nadelholz-Nadelstreifen am Boden verbaut wurde.

Tradition und Moderne verbinden sich im Interieur des Vision EQ Silver Arrow. Walnussholz und Leder treffen auf gebürstetes Aluminium
Mir springt die Brücke zu den historischen Wagen der Silberpfeil-Ära nahezu direkt ins Gesicht und es bleibt mir nichts anderes übrig als einmal richtig tief durchzuatmen und zu sagen: Jau! So muss das aussehen!
Aber wer Brücken zwischen Tradition und Moderne schlagen will, der muss auch Konzepte für die Zukunft aufzeigen und genau hier zeigen unsere Kollegen wieder einmal, wohin die Reise geht.
3D Panorama-Bildschirm zeigt Spur fürs induktive Laden
EQ – das heißt für mich auch immer nach vorne zu schauen. Zeigen, was technologisch machbar ist und wäre und einfach auch mal ein wenig „out of the box“ zu Denken. Der Vision EQ Silver Arrow ist hier abermals ein perfektes Beispiel für diese Vision und das zeigt sich unter anderem an einem beeindruckenden 3D Panorama-Bildschirm im Cockpit, der sogar jene Spur auf der Fahrbahn anzeigen kann, auf der induktives Laden möglich ist (und damit ist das Geheimnis des Antriebs gelüftet).
Mehr noch, mit Hilfe künstlicher Intelligenz ist ein virtuelles Rennen gegen historische oder aktuelle Silberpfeil-Rennwagen möglich. Dabei wird auf den Panorama-Bildschirm eine virtuelle Rennstrecke in die reale Strecke eingeblendet, und der Fahrer sieht den Gegner vor oder hinter sich als „Ghost“. Die Assistenzfunktion „Virtual Race Coach“ hilft, ein besserer Fahrer zu werden, indem sie während des Rennens Anweisungen gibt. Das lässt den Puls des Geeks in mir neue Höchststände erreichen.
Im Lenkrad sitzt zudem ein Touchscreen. Dort kann der Fahrer Programme wie Comfort, Sport und Sport+ mit unterschiedlicher Fahrcharakteristik wählen. Auch Soundeinstellungen können hier konfiguriert werden: Die Auswahl beinhaltet unter anderem den Klang eines aktuellen Formel-1-Silberpfeils und eines Mercedes-AMG V8-Motors.

Alles im Blick – dafür sorgen der 3D Panorama-Bildschirm und das Touchscreen-Display im Cockpit
750 elektrische PS und über 400 Kilometer Reichweite
Rein leistungstechnisch übertrumpft der Vision EQ Silver Arrow sein Vorbild nicht nur um 14 PS, anstatt eines Verbrenners, kommt hier nun ein Elektromotor zum Einsatz, der mit seinem flachen und um Unterboden verbauten 80 kWh Akku eine rechnerische Reichweite von 400 km nach dem WLTP-Standard ermöglicht. Für ordentlich Vortrieb ist also gesorgt und damit die Zellen auch immer optimal gekühlt werden, sorgen seitliche Lüftungsschlitze für die perfekte Frischluftzufuhr.
Die Liebe zum Detail
Ich weiß nicht wie es euch geht, aber ich stehe auf so kleine Details und ja, ich würde auch die Lupe und Zahnbürste rausholen, um wirklich in jede Ecke zu kommen. Beim Vision EQ Silver Arrow hätte ich da ordentlich zu tun, denn die freistehenden Vielspeichen-Räder stellen wohl den heiligen Gral für all die dar, die ihre Samstage gerne am Auto-Waschplatz des Vertrauens verbringen.
Mal abgesehen von den nicht rotierenden Nabenabdeckungen und den teilverkleideten Rädern, sind die mit jeweils 168 Speichen ausgestatteten Rädern aus leichtem Aluminium gefertigt und roségoldfarben lackiert.
Für besonders viel Traktion und eine entsprechend schnelle Beschleunigung besitzt der Vision EQ Silver Arrow Slick-Reifen im Format 255/25 R 24 (vorne) beziehungsweise 305/25 R 26 (hinten). Liebe zum Detail beweist das zusammen mit Reifenpartner Pirelli realisierte Stern-Muster auf der Lauffläche.
Eine Reminiszenz an den Rennsport ist der Heckdiffusor. Zwei ausfahrbare Heckspoiler fungieren überdies als Luftbremse, indem bei gewünschter Verzögerung der Luftwiderstand entsprechend erhöht wird.
Zurück in die Zukunft!
Ich weiß gar nicht, wie ich das Konzept dieses Showcars beschreiben kann, als mit dem Titel dieses Filmklassikers der 80er Jahre. Tradition und Moderne schließen sich nicht aus, im Gegenteil, sie befruchten sich. Der Vision EQ Silver Arrow ist hierfür ein perfektes Beispiel und abermals ein Beweis dafür, was unser Designteam auf die Straße stellen kann.
Ja, ich bleibe dabei… Pebble Beach stellt für mich ein absolutes Highlight im Kalender dar und das liegt vor allen Dingen daran, dass ich ein absoluter Fan von zeitlosen Designs bin. Wenn diese dann auch noch aus der Feder unseres Chef-Designers stammen, umso mehr und ich denke, dass hat das Team um Gorden Wagener wieder einmal bewiesen.
Der Beitrag Vision EQ Silver Arrow – Atemberaubende Hommage an den W 125 erschien zuerst auf Daimler-Blog.