Mein Name ist Adham. Ich bin 21 Jahre und komme aus Syrien. Ich habe dort in Damaskus gelebt. Wir hatten ein schönes Leben. Wir sind in die Schule gegangen, haben Ziele gehabt. In Syrien lebten wir mit verschiedenen Religionen nebeneinander, das war alles ok. Keiner konnte zu diesem Zeitpunkt ahnen, was später passieren wird.
Zehn Jahre lang habe ich mit meiner Familie in Damaskus gewohnt. Bis mein Vater entschieden hat, dass die ganze Familie 2007 nach Daraa umzieht, für immer. Drei Jahre später begann der Krieg auch in meiner Stadt: Daraa, an der Grenze zu Jordanien.
Um zu überleben, haben meine Familie und ich uns manchmal zwischen den großen Steinen versteckt.
Es war plötzlich zu gefährlich, in die Schule zu gehen. Die meisten Schulen haben einfach zugemacht. Ich bin so gerne in die Schule gegangen. Man konnte auch nicht einfach auf die Straße laufen. Am besten einfach zuhause bleiben. Dann habe ich mir gesagt, dass kann so nicht weitergehen und ich bin als 15-jähriger allein, ohne Familie, in den Libanon gegangen.
Doch Arbeit zu finden im Libanon war sehr schwer. Man braucht Geld, um zu essen. Ohne Arbeit kein Essen! Ich habe Türen geschliffen. Wegen des Schleifens haben meine Hände geblutet. Ich musste manchmal bis zu 20 Stunden am Tag arbeiten. Manchmal konnte ich nicht schlafen.
Für die Familie muss man alles tun!
Nach ein paar Monaten kam meine Mutter mit meinen zwei Brüdern in den Libanon. Wir haben sechs Monate während der Winterzeit auf einem Balkon geschlafen, weil wir keine Wohnung gefunden haben. Es war ein kleiner Balkon aber mein Cousin gab uns ein Dach über dem Kopf. Er hatte nur ein Zimmer und er brauchte auch Platz für sich und seine Frau.
Meine Mutter ist damals einfach auf die Straße gegangen und hat eine Wohnung für uns gesucht. Sie hat aber keine Wohnung gefunden. Ich weiß nicht, ob man sich das vorstellen kann, wenn die eigene Mutter auf die Straße geht und eine Wohnung sucht, und sie keine findet und dann auf der Straße sitzt und weint.
Die Leute laufen vorbei und gucken meine Mutter an, aber machen nichts – das war meine Erfahrung, die ich im Libanon gemacht habe. Dann ist auch mein Vater zu uns in den Libanon gekommen. Aber er konnte keine Arbeit finden. Deshalb hat er sich entschieden, in die Türkei zu gehen. Dort hat er einen Mann kennengelernt, der versprochen hat, uns ein Visum für Deutschland zu besorgen. Er sagte zu meinem Vater:
Gebt mir eure Ausweise!
Wir haben es so gemacht, weil wir ihm vertraut haben und weil wir keine andere Wahl hatten. Er hat dann aber alle Ausweise der Familie geklaut. Und 2.000 Dollar. Wir haben irgendwann neue Ausweise erhalten. Wir waren sehr erleichtert! Dann wurde unsere Familie getrennt.
Mein Vater und einer meiner Brüder sind als erste nach Griechenland und dann über Italien nach Frankreich, bis zuletzt nach Deutschland. Wir anderen blieben im Libanon zurück. Nach eineinhalb Monaten ist mein Vater in Deutschland angekommen. Er hat den Familiennachzug beantragt und wir durften nach Deutschland gekommen. Mein Vater hatte bereits eine Wohnung in Esslingen angemietet.
Es muss etwas gemacht werden, um ein schönes Leben zu haben
In Deutschland angekommen, war mein erstes Ziel, so schnell wie möglich Deutsch zu lernen. Im Herbst 2015 kam die Nachricht vom Jobcenter: Ich könnte ein Praktikum bei Daimler anfangen, gemeinsam mit 40 anderen Flüchtlingen. Ich war ganz neu hier und ich wusste nicht, wer Daimler ist. Dann sagten sie mir „Mercedes“. Von da an wusste ich Bescheid. Bei uns in Syrien hieß es nur Mercedes. Ich habe mich sehr über das Praktikum gefreut. Die ganze Zeit hatte ich nur einen Satz im Kopf:
Von Nichts kommt Nichts!
Es hat mir sehr gut gefallen. Das Praktikum hat vier Monate gedauert. Wir arbeiteten drei bis vier Stunden am Tag und hatten zusätzlich jeden Tag drei Stunden Deutschkurs. Wenn man etwas nicht verstanden hat, konnte man bei der Arbeit oder im Deutschkurs noch einmal nachfragen. Jeder nahm sich Zeit zu erklären, wie was funktioniert. Das war sehr gut.
Ich habe 270 Videos für die deutsche Sprache angeschaut
Zudem habe ich aktiv in der Fußballmannschaft gespielt und mich im Fitnessstudio angemeldet, um Deutsch zu lernen und Kontakte zu knüpfen. Das hat funktioniert. Ich habe hier einige gute Freunde gefunden. Das Praktikum bei Daimler habe ich gut abgeschlossen und Deutsch gelernt. Jetzt bin ich hier bei Daimler als Metallwerker-Azubi. Gleichzeitig engagiere ich mich in der Auszubildendenvertretung. Meine Wünsche haben sich alle erfüllt. Aber ich arbeite schon auf das nächste Ziel hin, nämlich irgendwann meinen Meister zu machen.
Der Beitrag Von Syrien nach Stuttgart – Mein langer Weg zu Daimler erschien zuerst auf Daimler-Blog.