Manches im Leben hinterlässt Spuren. So habe ich vor vielen Jahren bei einer Amateur-Rallye meine Reifenabdrücke im heißen Wüstensand hinterlassen. Im Gegenzug hat sich die Idee dieses Rennens bis heute in mein Gehirn eingebrannt. Damals fuhren wir mit alten Autos die Strecke Paris – Dakar. Am Ende wurden die Fahrzeuge versteigert und der Erlös ging an ein Waisenhaus.
Ich hatte kein altes Auto und so fragte ich die Organisatoren, ob sie mir eines borgen würden. Sie gaben mir einen alten 190er Mercedes mit über 500.000 Kilometern auf dem Tacho. „Ihr seid ja verrückt“, schimpfte ich. „Mit der Karre schaffe ich es niemals ins Ziel!“ „Keine Sorge. Du hast das beste Auto“, beschwichtigten sie mich. Wie recht sie hatten. Am Ende kam ich nicht nur ins Ziel, sondern auch zu der Erkenntnis, dass ich so einen 190er unbedingt haben musste. Seither fahre ich einen. Er hat mich noch nie im Stich gelassen.
5c100c: Fünf Kontinente – 100 Länder
Die Idee, ein eigenes soziales Projekt zu starten, ließ mich nicht mehr los. Reisen wollten meine Freundin Melanie und ich schon immer. Kein Wunder, sie kommt aus der Tourismusbranche, ich aus dem Hotelgewerbe. Warum also nicht das Ganze ein bisschen größer aufziehen und um die Welt fahren? Schwupps, war unser Projekt „5c100c – 5 continents 100 countries“ geboren. Ja, richtig. 100 Länder auf fünf Kontinenten wollen wir mit unserem 190er bereisen. Und dabei besondere Andenken sammeln.
Alle Menschen, die uns auf unserer Reise in irgendeiner Weise unterstützen, dürfen auf unserem Auto unterschreiben. Ganz egal, womit sie uns helfen: Ob sie uns ein paar Liter Sprit spendieren, eine Flasche Wasser, eine Ananas oder einfach nur eine Dusche.
Etwas Gutes für Kinder
Am Ende unserer Reise, so unser Plan, sind viele, viele Unterschriften aus der ganzen Welt auf unserem Auto verewigt. Dann spenden wir es für ein soziales Projekt für Kinder. So haben wir jetzt eine gute Zeit und können später etwas zurückgeben. Prominente Unterschriften helfen natürlich, den Wert unseres Benz zu steigern, so dass wir am Ende hoffentlich eine große Summe zusammenbekommen – ein fünfstelliger Betrag wär schon schön.
Wie das Geld an die richtige Adresse kommt? Spontan fiel uns der RTL Spendenmarathon ein. Er ist sehr bekannt und so haben wir dort schon mal vorgefühlt. Und siehe da, unsere Idee stieß tatsächlich auf Interesse. Jetzt heißt’s Daumen drücken.
Los geht‘s
Begonnen hat unsere Reise in Brasilien. Dort waren wir erst mal vier Wochen mit dem Rucksack unterwegs während wir auf unser Auto – es kam mit dem Schiff – gewartet haben. Richtig los ging es dann in Montevideo/Uruguay. Von dort ging es Richtung Feuerland über Argentinien und Chile. Dann weiter über die Anden nach Bolivien, Peru, Ecuador, Kolumbien, Panama, Costa Rica, Nicaragua, Honduras, Guatemala, Belize, Mexiko, die USA und Kanada rauf bis nach Alaska. Von dort über Yellowstone, an die Ostküste runter bis zu den Florida Keys und wieder rauf nach New York.
Für uns das beste Auto
Auf unserem Trip durch die Welt ist unser 190er Mercedes für uns nicht nur Fortbewegungsmittel, sondern auch ein treuer Weggefährte. Rund 376.000 Kilometer hat unser 28 Jahre alter Bolide schon auf dem Buckel. Eigentlich ein unkaputtbares Auto. Na ja, wie jeder weiß, ist man gegen Beschädigungen nie ganz gefeit. Aber mit ein bisschen Geschick kann man vieles selbst beheben.
In Chile waren wir mal unterwegs zu einer Lagune. Unseren Zeltanhänger haben wir zurück gelassen und nur Decken und Verpflegung für einen Tag und eine Nacht mitgenommen. Der Weg, eine einsame Schotterpiste, war voller Steine und Schlaglöcher. Ich fühlte mich wie ein Reiter auf einem bockenden Pferd. Da passierte es. Auf über 4.000 Meter Höhe knallte der Stoßdämpfer gegen die Motorhaube.
Das war’s, dachte ich. Abschleppen hätte ein Vermögen gekostet. Mal davon abgesehen, dass ein paar Minenarbeiter so ziemlich die einzigen Menschen waren, die uns begegnet sind. Also bockten wir das Auto auf, brachten den Stoßdämpfer wieder an die richtige Position und zurrten ihn mit Gurt und Draht fest. Die Prozedur wiederholten wir unterwegs dutzende Male. Kaum zu glauben, aber die Wackelkonstruktion hielt. Nach 12 Stunden und 120 Kilometern im Schritttempo kamen wir schließlich im Tal an. Dort hat uns die Reparatur 20 Euro gekostet.






Alles hat zwei Seiten
Auf den vielen Kilometern unterwegs haben wir vor allem eins gelernt: Wenn etwas passiert – ob gut oder schlecht – weiß man nie, wozu es gut ist. In Chile wurde unser Auto aufgebrochen. Die Diebe haben wirklich alles mitgenommen. Am meisten ärgerte mich der Verlust unserer Kamera. 5.000 Euro im Eimer. Aber gerade wegen dieses Schurkenstreichs berichteten die nationalen Nachrichten – vergleichbar mit unserer Tagesschau – über uns. Und oh Wunder, dadurch wurden wir im Land ziemlich bekannt und wir haben unheimlich viele liebe Menschen kennengelernt.
Eine kleine Geschichte dazu: Auf einer Autobahn gab uns plötzlich ein Auto Signale mit der Lichthupe. Der Fahrer bedeutete uns, rechts ranzufahren. Was wollen die? Stimmt was nicht an unserem Auto? Also hielten wir auf dem Standstreifen an. Das andere Auto stoppte vor uns. Ein Pärchen stieg aus, drückte uns umgerechnet 20 Dollar in die Hand. Ihr Kommentar: „Wir finden das total super, was ihr macht.“ Selbstredend durften sie sich gleich mit ihrer Unterschrift auf unserem Lack verewigen.
It’s a kind of magic
Eine zauberhafte Unterschrift haben wir uns in Las Vegas geholt – von David Copperfield. Das war noch nicht mal schwierig. Wir sind einfach ins MGM Hotel gegangen und haben unsere Geschichte erzählt. Seine Managerin hatte versprochen, den Meister zu fragen, ob er unser Auto signieren wolle. Einen Tag später standen wir super aufgeregt vor dem Backstage Eingang. Mit unserem Benz und ganz viel Geduld. Plötzlich ging die Tür ging auf. David Dopperfield trat heraus, unterschrieb auf der Motorhaube, wechselte ein paar Worte mit uns und hatte gerade noch Zeit für ein Foto. Dann verschwand er. Keine zwei Minuten hat das Ganze gedauert.
From Stuttgart with Love
Mittlerweile zieren mehr als 400 Unterschriften die silberne Karosserie unseres vierrädrigen Lieblings. Eine wichtige fehlte uns noch. Die von Dieter Zetsche, Chef des Unternehmens, das so ein tolles Auto, wie unseren 190er hervorgebracht hat. Ob er das wohl machen würde? Nun ja, wir haben ihm ganz offiziell eine E-Mail mit unserem Anliegen geschrieben – und wurden eingeladen. Also chauffierten wir unser Baby nach Untertürkheim. Nach der üblichen Anmeldung durften wir ins Werk.
Vor dem Vorstandsgebäude begrüßte uns Dieter Zetsche. Wie so viele Auto-Fans, die uns auf unserer Tour begegnet sind, begutachtete er unseren 190er erst mal von allen Seiten. Fasziniert von den vielen Signaturen, die wir schon gesammelt hatten. „Wo darf ich nun unterschreiben?“, fragte er. Wir hatten ihm extra ein Plätzchen auf der Motorhaube reserviert. Dort prangt seither sein Namenszug.
Noch zwei Jahre
19 Länder und 3 Kontinente – oder anders ausgedrückt 80.000 Kilometer – haben wir bis jetzt geschafft. Viele Länder stehen aber noch auf unserem Reiseplan. Beispielsweise in Europa. Australien ist natürlich ein Traum, da müssen wir aber schauen, ob wir das finanziell hinbekommen. Als nächstes geht es auf einer Afrika-Runde nach Marokko, wahrscheinlich bis zum Senegal. Nach einem kurzen Intermezzo in Deutschland wollen wir dann weiter nach Asien.
Zwei Jahre schätze ich, werden wir noch brauchen, bis unser Ziel „5 continents 100 countries“ erreicht ist – und unser Mercedes reif zum Spenden ist. So sehr wir unseren 190er auch vermissen werden, aber dann haben wir vorerst genug gecampt. Wir wünschen uns ja, dass er irgendwann mal in einem Museum steht. Weil er sich wirklich einen schönen Ruhestand verdient hat.
Der Beitrag 80.000 Kilometer um die Welt erschien zuerst auf Daimler-Blog.